Zusammenfassung
Eine Darmischämie ist in der chirurgischen und internistischen Intensivmedizin ein
wichtiges, häufig unerkanntes Krankheitsbild. Eine Erhöhung des Laktatwertes, verminderte
Darmgeräusche, geblähtes Abdomen, fehlender oder blutiger Stuhlgang, sowie eine ansteigende
Entzündungskonstellation deuten auf eine Darmischämie. Eine nicht-okklusive Darmischämie
(NOD) ist dabei die häufigste Ursache und kann neben dem akut lebensbedrohlichen abdominellen
Prozess auch Ursache für ein „SIRS” (systemic inflammatory response syndrome) sein.
Die wesentlichen Ursachen für eine NOD sind a) ein vermindertes Herzzeitvolumen, b)
eine vorbestehende kardiale und/oder peripher vaskuläre (PAVK) Krankheit und/oder
c) der internistisch-intensivmedizinische und/oder intra/post-operative Einsatz von
Katecholaminen. Kardial wirksame Medikamente können die Durchblutung des Splanchnikusgebietes
beeinflussen, insbesondere sind vorbestehende kardiale Medikationen zu klären: 1)
Digitalis führt zu einem erhöhtem Muskeltonus der Widerstandsgefäße und limitiert
damit die Regulationsbreite der Darmdurchblutung; 2) verstärkt eingesetzte Diuretika
können zur intravasalen Hypovolämie, Hypotonie und damit zur Malperfusion beitragen;
3) präoperativ eingesetzte Antihypertonika (Nitrate, Kalziumantagonisten, ACE-Hemmer
etc.) können über eine verstärkte Hypotonie zu einem erhöhten intraoperativen Katecholaminbedarf
führen; 4) Katecholamine können zu einer Konstriktion der nutritiven Gefäße im Splanchnikusgebiet
führen. Die präoperative Vorbereitung des Patienten sollte in Hinblick auf das Auftreten
einer Darmischämie berücksichtigen: 1) ACE-Hemmer sollten unmittelbar postoperativ
weitergegeben werden, da den ACE-Hemmern eine protektive Bedeutung für die Mikrozirkulation
des Darmes zukommt. 2) Präoperativ eingesetzte Betablocker stabilisieren den myogenen
Tonus der Splanchnikusgefäße, vermindern eine überschießende Wirkung des Parasympathikus
und können damit das Auftreten eines abdominellen neurogenen Schocks verhindern. 3)
Eine erforderliche vasokonstriktive Therapie mit Katecholaminen ist sowohl bei internistischen
Krankheitsbildern (Sepsis, selten bei kardiogenem Schock) und im intra- und postoperativem
Verlauf mit Vorsicht in Hinblick auf eine NOD durchzuführen. Die Therapie der Darmischämie
ist primär auf die vaskulären und hämodynamischen Ursachen zu richten, sekundär ist
eine Behandlung der lokalen und der systemischen Folgen (Darmfunktion, bakterielle
Translokation) zu planen.
Abstract
Perfusion of the abdomen is determined by cardiac function and circulation. Intestinal
ischemia can be caused by Non occlusive bowel ischemia (NOD) that is important in
internal as well as surgical intensive care medicine. Cardiac medication can influence
perfusion of the bowel: 1) digitalis increases muscular tonus and decreases perfusion
regulation b) diuretics lead to hypovolemia, hypotonia and malperfuison, c) antihypertensive
medication can cause intraoperative hypotension that demands catecholamines, d) catecholamines
can reduce perfusion by pathologic vasoconstuction in the splanchnicus area. Preoperative
medication should respect 1) preoperatively taken ACE-inhibitors should be given postoperatively,
as they have protective influence on the microcirculation of the bowel, 2) beta-blockers
stabilize the myogenic tonus of the abdominal vessels, reduce an overshot of the parasympathicus
and diminish the risk of neurogenic abdominal shock, 3) catecholamines should be used
with respect to ischemia of the bowel. Therapy of NOD should be focused on the primary
vascular and hemodynamic causes and also take care for bacterial translocation and
consecutive sepsis.
Schlüsselwörter
nicht-okklusive Darmischämie - kardiogener Schock - Digitalis - Katecholamine - ACE-Hemmer
- Betablocker
Key words
non-occlusive bowel ischemia - cardiogenic shock - digitalis - catecholamine - ACE-inhibitor
- beta-blocker
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40225 Düsseldorf
Email: schwartzkopff@med.uni-duesseldorf.de